Der Verkehrssektor im Rahmen der Sektorenkopplung


  1. Internationale Klimapolitik – von Paris über Brüssel nach Berlin
  2. Treibhausgasemissionen – eine Einordnung
  3. Die Rolle des Verkehrssektors
  4. Lösungsansatz: Die Sektorenkopplung – Verknüpfung von Strom, Wärme, Verkehr und Industrie

Internationale Klimapolitik – von Paris über Brüssel nach Berlin

Pariser Klimaabkommen

Am 12. Dezember 2015 wurde auf der Weltklimakonferenz in Paris ein historisches Abkommen verabschiedet: Das Übereinkommen von Paris. Darin verpflichteten sich 195 Staaten den Klimawandel einzudämmen und die Weltwirtschaft klimafreundlich umzugestalten.

Anders als das 2020 ausgelaufene Kyoto-Protokoll⁠, das nur wenige Industriestaaten dazu verpflichtete, ihre Emissionen zu senken, bindet das Klimaabkommen von Paris alle Staaten der Erde ein, in dem sie sich völkerrechtlich verpflichteten, einen nationalen Klimabeitrag⁠ und konkrete Schritte zu seiner Umsetzung zu erarbeiten.

Zur Umsetzung des Pariser Klimaabkommens hat die Europäische Union 2019 den European Green Deal⁠ beschlossen.

Europäischer Green Deal

Am 24. Juni 2021 hat das Parlament das EU-Klimagesetz verabschiedet und somit die Ziele einer Emissionsreduzierung um 55 Prozent bis 2030 sowie Klimaneutralität bis 2050 rechtsverbindlich festgeschrieben.

Ziele des Green Deal

  • Versorgung mit sauberer, erschwinglicher und sicherer Energie: aktuell stammen rund 75% der THG-Emissionen aus der Produktion und Nutzung von Energie. Der Sektor muss dekarbonisiert werden. Erneuerbaren Energiequellen werden eine wesentliche Rolle spielen.
  • Kreislauforientierte Wirtschaft: Verbrauchsreduzierung, Recycling, Reparierbarkeit
  • Energie- und ressourcenschonendes Bauen und Renovieren: Gebäude sind für 40% des Energieverbrauchs und 36% der THG-Emissionen verantwortlich
  • Null-Schadstoff-Ziel für eine schadstofffreie Welt: Schadstofffreiheit für Luft, Wasser und Boden
  • Ökosysteme und Biodiversität erhalten und wiederherstellen: Wiederherstellung geschädigter Ökosysteme auf See und Land, um biologische Vielfalt zu bewahren
  • Vom Hof auf den Tisch“: Reduzierung von Pestiziden, Förderung von ökologischem Anbau
  • Umstellung auf eine nachhaltige und intelligente Mobilität: Transportsektor für ca. 25% der THG-Emissionen verantwortlich, Förderung von Ladestationen und Tankstellen sowie automatisierter Mobilität und intelligenten Verkehrsmanagementsystemen
Quelle: Softec

Die Ziele lassen sich überwiegend in vier Kategorien einteilen:

  1. ✳️ Saubere und sichere Energie (Erneuerbare Energien, Übertragungsnetze, Batterien, Wasserstoff, CCS)
  2. 🚝 Nachhaltiger Transport (Elektroautos und Lieferketten, Ladeinfrastruktur, Schiene, Halbleiter, Wasserstoff)
  3. 🏬 Gebäuderenovierung (Energieeffizienz, Heiztechnologie)
  4. 🔄 Kreislaufwirtschaft & nachhaltige Lebensmittel (Nachhaltige Landwirtschaft & Lebensmittel, Wiederverwendbarkeit/Recycling)

Ziele der Bundesregierung

Mit der Änderung des Klimaschutzgesetzes hat die Bundesregierung die Klimaschutzvorgaben verschärft und das Ziel der Treibhausgasneutralität bis 2045 verankert.

Bereits bis 2030 sollen die Emissionen um 65 Prozent gegenüber 1990 sinken. Für das Jahr 2040 gilt ein Minderungsziel von mindestens 88 Prozent.

Das Bundesverfassungsgericht hat den Staat verpflichtet, aktiv gegen den Klimawandel zu handeln. Dies soll verhindern, dass die Freiheitsgrundrechte der heutigen jungen Menschen in Zukunft unverhältnismäßig eingeschränkt werden.

Zwischenfazit: Transformation der Wirtschaft notwendig

Um diese ambitionierten Ziele zu erreichen sind Transformationen in relevanten Teile der Wirtschaft notwendig:

  • ♨️ Energiewirtschaft
  • 🏭 Industrie
  • 🏬 Gebäude
  • 🚗 Verkehr
  • 🚜 Landwirtschaft

Doch wo fangen wir an? Welches sind die Sektoren mit der schlechtesten Bilanz?

Ein Überblick ist notwendig…


Treibhausgasemissionen – eine Einordnung

Globale Treibhausgasemissionen

Die folgende Grafik aus 2020 zeigt die globalen Treibhausgasemissionen aus 2016. Mit Hilfe einer ABC-Analyse wird klar, warum sich die Politik auf die drei größten Sektoren konzentriert:

  • Industrie (24,2%)
  • Gebäude (17,5%)
  • Transportwesen (16,2%)
Quelle: Our wolrd in data

Doch welche Rolle kann Deutschland oder Europa dabei spielen? Schwenken wir unseren Blick in die Vergangenheit.

Die Rolle Europas

Die EU-27 sind nach den USA für den meisten kumulierten CO₂-Ausstoß seit 1751 verantwortlich.

Auch die besondere Rolle Chinas und dessen Aufstieg in den letzten Jahrzehnten wird anhand des ausgestoßenen CO₂ deutlich.

Bei der Betrachtung der aktuellen Treibhausgasemissionen auf europäischer Ebene erkennt man, dass die Verbrennung von Kraftstoff für knapp 75% der Treibhausgasemissionen in 2020 verantwortlich ist.

Quelle: Eurostat

Hinsichtlich der Kraftstoffverbrennung sind die größten Sektoren:

  • Energiebranchen (23,3%)
  • Transportwesen (23,2%)
  • Gebäude (15,4%)

Es wird zudem deutlich, dass auf europäischer Ebene der Transportsektor eine größere Rolle spielt. Dies ist nicht zuletzt damit begründet, dass es sich hierbei meist um entwickelte Wirtschaften handelt, bei denen im Schnitt 56% aller Einwohner ein Auto besitzen (253 Mio. Autos auf ca. 447 Mio. EU-27-Einwohner).


Die Rolle des Verkehrssektors

Der Transportsektor ist mit ca. 23,2% der zweitgrößte Verursacher von Treibhausgasen in der EU.

Knapp 72% dieser verkehrsbedingten CO₂-Emissionen entfallen auf den Straßenverkehr, über 60% davon auf die Nutzung von Pkw.

Quelle: Europäische Parlament

Betrachtet man die Entwicklung dieser Sektoren, fällt insbesondere der Verkehrssektor (negativ) auf.

Während alle anderen Sektoren ihre Emissionen seit 1990 deutlich reduzieren konnten, hat der Verkehr seinen CO₂-Ausstoß um rund ein Viertel gesteigert, die EEA spricht sogar von 33,5% zwischen 1990 und 2019.

Quelle: Europäisches Parlament

Die EEA prognostiziert desweilen einen weiteren Anstieg:

  • Demnach sollen die zurückgelegten Personenkilometer auf der Straße und Schiene im Vergleich zu 2015 um 13% in 2030 und 27,4% in 2050 steigen.
  • Der Gütertransport soll um 31% (2030 vs. 2015) bzw. 55% (2050 vs. 2015) steigen.

Trotz des Anstiegs der Nutzung soll die Energieeffizienz zu einer Verringerung des Energieverbrauchs im Straßenverkehr um 15 % bis 2030 und um 33 % bis 2050 im Vergleich zu 2005 führen.

Um die Emissionen aus dem Straßenverkehr zu reduzieren, beabsichtigt die EU, die vorgeschlagenen CO₂-Ziele für Pkw und Nutzfahrzeuge durch die folgenden Maßnahmen zu ergänzen:

  • 🔄️ ein neues Emissionshandelssystem (EHS) für Straßenverkehr und Gebäude
  • ↗️ die Erhöhung des Anteils erneuerbarer Kraftstoffe für den Verkehr
  • 🪙 die Abschaffung von Steuervorteilen für fossile Brennstoffe
  • 🧪 die Überarbeitung der Rechtsvorschriften, die die Infrastruktur für alternative Kraftstoffe betreffen, um deren Kapazität zu erweitern.

Mit den bestehenden politischen Maßnahmen werden die Verkehrsemissionen bis 2050 im Vergleich zu 1990 voraussichtlich nur um 22 % sinken.

Dies ist weit entfernt von der im Rahmen des Europäischen Green Deal angestrebten Verringerung um 90 % bis 2050 im Verkehrssektor.


Lösungsansatz: Die Sektorenkopplung – Verknüpfung von Strom, Wärme, Verkehr und Industrie

Die Sektorkopplung ist ein Konzept, das die traditionellen Energiesektoren Elektrizität, Wärme, Verkehr und Industrie miteinander verbindet.

Ziel der Sektorkopplung ist die Dekarbonisierung der Volkswirtschaft durch eine möglichst vollständige Umstellung der Energieversorgung auf Strom („All Electric Society“) durch die überwiegende Nutzung erneuerbarer Energien.

Die effiziente Verknüpfung der verschiedenen Sektoren durch elektrischen Strom und daraus erzeugten Sekundärenergieträgern bezeichnet man als Sektorenkopplung.

Hierbei werden Direktverbraucher wie Elektroautos oder Wärmepumpen, Stromspeicher und die Umwandlung von Strom in Wasserstoff, Methan oder synthetische Flüssigkraftstoffe so gesteuert, dass die schwankende Stromerzeugung aus Wind- und Sonnenenergie optimal genutzt wird.

Dabei soll der Energiebedarf in den Bereichen Wärme, Industrie und Verkehr zunehmend durch Strom aus Sonnen- und Windenergie gedeckt werden. Dadurch lässt sich schrittweise die gesamte Energieversorgung umstellen und ermöglicht perspektivisch eine zu 100 Prozent erneuerbare Energieversorgung.

Quelle: AEE

Um dieses Ziel zu erreichen, sind mehrere Bausteine notwendig, u.a.:

  • ⚡ Die Nutzung von Elektrofahrzeugen, die mit erneuerbaren Energien betrieben werden.
  • 🏠 Die Nutzung von Wärmepumpen, die Strom aus erneuerbaren Energien zur Wärmeerzeugung nutzen.
  • ☣️ Die Nutzung von Biomasse zur Strom- und Wärmeerzeugung.
  • 🔁 Die Nutzung von Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen, die Strom und Wärme aus einem einzigen Prozess erzeugen.
  • 🔋 Die Nutzung von Speichern für erneuerbare Energien, wie zum Beispiel Batterien und Pumpspeicherkraftwerke.

Derzeitiges Hauptproblem der Sektorenkopplung ist die Ausdehnung der Dekarbonisierung auf die energie- und emissionsintensiven Sektoren Verkehr, Wärmeversorgung, Landwirtschaft und Schwerindustrie.

Wind- und Sonnenenergie sind volatile Energiequellen, die zu unterschiedlichen Zeiten unterschiedlich viel Strom erzeugen. Wenn diese Energie nicht genutzt oder gespeichert werden kann, müssen Kraftwerke abgeschaltet werden und Energie geht verloren. Moderne Speichertechnologien oder der Einsatz von Strom für die Sektoren Verkehr und Wärme können helfen, erneuerbare Energien besser zu nutzen und das Stromnetz effizienter zu machen.

Quelle: AEE

Die Sektorkopplung ist eine komplexe Aufgabe, die große Herausforderungen mit sich bringt.

Richtig angegangen kann die Energiewende und die Dekarbonisierung der Volkswirtschaft jedoch Vorteile mit sich bringen:

  • 💨 Treibhausgasemissionen werden reduziert.
  • 💶 Energiekosten werden gesenkt.
  • ⚡ Die Versorgungssicherheit wird erhöht.
  • 👷 Neue Arbeitsplätze werden geschaffen.


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